Offener Brief an den
Bundesminister der Finanzen
Herrn Olaf Scholz
Wilhelmstraße 93
10117 Berlin
Was ist gemeinnützig? Zur Entscheidung eines Finanzamtes 25. November 2019
Sehr geehrter Herr Minister Scholz,
seit 2008 bin ich die Ehrenvorsitzende der VVN–BdA, der gemeinnützigen Vereinigung
der Verfolgten des Nazi-Regimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten,
gegründet 1947 von Überlebenden der Konzentrationslager und NS-Verfolgten. Die
Arbeit der Antifa, die Arbeit antifaschistischer Vereinigungen ist heute – immer noch –
bitter nötig. Für uns Überlebende ist es unerträglich, wenn heute wieder Naziparolen
gebrüllt, wenn jüdische Menschen und Synagogen angegriffen werden, wenn Menschen
durch die Straßen gejagt und bedroht werden, wenn Todeslisten kursieren und extreme
Rechte nicht mal mehr vor Angriffen gegen Vertreter des Staates zurückschrecken.
Wohin steuert die Bundesrepublik?
Das Haus brennt – und Sie sperren die Feuerwehr aus!, wollen der größten und ältesten
antifaschistischen Vereinigung im Land die Arbeit unmöglich machen? Diese Abwertung
unserer Arbeit ist eine schwere Kränkung für uns alle.
„Die Bundesrepublik ist ein anderes, besseres Deutschland geworden“, hatten mir
Freunde versichert, bevor ich vor fast 60 Jahren mit meiner Familie aus Israel nach
Deutschland zurückgekehrt bin. Alten und neuen Nazis bin ich hier trotzdem begegnet.
Aber hier habe ich verlässliche Freunde gefunden, Menschen, die im Widerstand gegen
den NS gekämpft haben, die Antifaschistinnen und Antifaschisten. Nur ihnen konnte ich
vertrauen.
Wir Überlebende der Shoah sind die unbequemen Mahner, aber wir haben unsere
Hoffnung auf eine bessere und friedliche Welt nicht verloren. Dafür brauchen wir und
die vielen, die denken wie wir, Hilfe! Wir brauchen Organisationen, die diese Arbeit
unterstützen und koordinieren.
Nie habe ich mir vorstellen können, dass die Gemeinnützigkeit unserer Arbeit
angezweifelt oder uns abgesprochen werden könnte! Dass ich das heute erleben muss!
Haben diejenigen schon gewonnen, die die Geschichte unseres Landes verfälschen wollen, die sie umschreiben und überschreiben wollen? Die von Gedenkstätten ‚als Denkmal der Schande‘ sprechen und den NS-Staat und seine Mordmaschine als ‚Vogelschiss in deutscher Geschichte‘ bezeichnen?
In den vergangenen Jahrzehnten habe ich viele Auszeichnungen und Ehrungen erhalten, jetzt gerade wieder vom Hamburger Senat eine Ehrendenkmünze in Gold. Mein zweites Bundesverdienstkreuz, das Große, haben Sie mir im Jahr 2012 persönlich feierlich über-reicht, eine Ehrung für hervorragende Verdienste um das Gemeinwohl, hieß es da. 2008 schon hatte der Bundespräsident mir das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse angeheftet. Darüber freue ich mich, denn jede einzelne Ehrung steht für Anerkennung meiner – unserer – Arbeit gegen das Vergessen, für ein „Nie wieder Krieg – nie wieder Faschismus“, für unseren Kampf gegen alte und neue Nazis.
Wer aber Medaillen an Shoah-Überlebende vergibt, übernimmt auch eine Verpflichtung. Eine Verpflichtung für das gemeinsame NIE WIEDER, das unserer Arbeit zugrunde liegt.
Und nun frage ich Sie:
Was kann gemeinnütziger sein, als diesen Kampf zu führen?
Entscheidet hierzulande tatsächlich eine Steuerbehörde über die Existenzmöglichkeit einer Vereinigung von Überlebenden der Naziverbrechen?
Als zuständiger Minister der Finanzen fordere ich Sie auf, alles zu tun, um diese unsäg-liche, ungerechte Entscheidung der Aberkennung der Gemeinnützigkeit der Arbeit der VVN–BdA rückgängig zu machen und entsprechende Gesetzesänderungen vorzuschla-gen.
Wir Überlebenden haben einen Auftrag zu erfüllen, der uns von den Millionen in den Konzentrationslagern und NS-Gefängnissen Ermordeten und Gequälten erteilt wurde. Dabei helfen uns viele Freundinnen und Freunde, die Antifaschistinnen und Antifaschisten – aus Liebe zur Menschheit! Lassen Sie nicht zu, dass diese Arbeit durch zusätzliche Steuerbelastungen noch weiter erschwert wird.
Mit freundlichen Grüßen
Esther Bejarano
Vorsitzende
Auschwitz-Komitee in der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Ehrenvorsitzende der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes –
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten
N.B.: Dieser Brief wird auch an Fraktionen im Bundestag, an Medien und Freundeskreise weitergeleitet.
Offener Brief an den
Bundesminister der Finanzen
Herrn Olaf Scholz
Wilhelmstraße 93
10117 Berlin
Was ist gemeinnützig? Zur Entscheidung eines Finanzamtes 25. November 2019
Sehr geehrter Herr Minister Scholz,
seit 2008 bin ich die Ehrenvorsitzende der VVN–BdA, der gemeinnützigen Vereinigung
der Verfolgten des Nazi-Regimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten,
gegründet 1947 von Überlebenden der Konzentrationslager und NS-Verfolgten. Die
Arbeit der Antifa, die Arbeit antifaschistischer Vereinigungen ist heute – immer noch –
bitter nötig. Für uns Überlebende ist es unerträglich, wenn heute wieder Naziparolen
gebrüllt, wenn jüdische Menschen und Synagogen angegriffen werden, wenn Menschen
durch die Straßen gejagt und bedroht werden, wenn Todeslisten kursieren und extreme
Rechte nicht mal mehr vor Angriffen gegen Vertreter des Staates zurückschrecken.
Wohin steuert die Bundesrepublik?
Das Haus brennt – und Sie sperren die Feuerwehr aus!, wollen der größten und ältesten
antifaschistischen Vereinigung im Land die Arbeit unmöglich machen? Diese Abwertung
unserer Arbeit ist eine schwere Kränkung für uns alle.
„Die Bundesrepublik ist ein anderes, besseres Deutschland geworden“, hatten mir
Freunde versichert, bevor ich vor fast 60 Jahren mit meiner Familie aus Israel nach
Deutschland zurückgekehrt bin. Alten und neuen Nazis bin ich hier trotzdem begegnet.
Aber hier habe ich verlässliche Freunde gefunden, Menschen, die im Widerstand gegen
den NS gekämpft haben, die Antifaschistinnen und Antifaschisten. Nur ihnen konnte ich
vertrauen.
Wir Überlebende der Shoah sind die unbequemen Mahner, aber wir haben unsere
Hoffnung auf eine bessere und friedliche Welt nicht verloren. Dafür brauchen wir und
die vielen, die denken wie wir, Hilfe! Wir brauchen Organisationen, die diese Arbeit
unterstützen und koordinieren.
Nie habe ich mir vorstellen können, dass die Gemeinnützigkeit unserer Arbeit
angezweifelt oder uns abgesprochen werden könnte! Dass ich das heute erleben muss!
Haben diejenigen schon gewonnen, die die Geschichte unseres Landes verfälschen wollen, die sie umschreiben und überschreiben wollen? Die von Gedenkstätten ‚als Denkmal der Schande‘ sprechen und den NS-Staat und seine Mordmaschine als ‚Vogelschiss in deutscher Geschichte‘ bezeichnen?
In den vergangenen Jahrzehnten habe ich viele Auszeichnungen und Ehrungen erhalten, jetzt gerade wieder vom Hamburger Senat eine Ehrendenkmünze in Gold. Mein zweites Bundesverdienstkreuz, das Große, haben Sie mir im Jahr 2012 persönlich feierlich über-reicht, eine Ehrung für hervorragende Verdienste um das Gemeinwohl, hieß es da. 2008 schon hatte der Bundespräsident mir das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse angeheftet. Darüber freue ich mich, denn jede einzelne Ehrung steht für Anerkennung meiner – unserer – Arbeit gegen das Vergessen, für ein „Nie wieder Krieg – nie wieder Faschismus“, für unseren Kampf gegen alte und neue Nazis.
Wer aber Medaillen an Shoah-Überlebende vergibt, übernimmt auch eine Verpflichtung. Eine Verpflichtung für das gemeinsame NIE WIEDER, das unserer Arbeit zugrunde liegt.
Und nun frage ich Sie:
Was kann gemeinnütziger sein, als diesen Kampf zu führen?
Entscheidet hierzulande tatsächlich eine Steuerbehörde über die Existenzmöglichkeit einer Vereinigung von Überlebenden der Naziverbrechen?
Als zuständiger Minister der Finanzen fordere ich Sie auf, alles zu tun, um diese unsäg-liche, ungerechte Entscheidung der Aberkennung der Gemeinnützigkeit der Arbeit der VVN–BdA rückgängig zu machen und entsprechende Gesetzesänderungen vorzuschla-gen.
Wir Überlebenden haben einen Auftrag zu erfüllen, der uns von den Millionen in den Konzentrationslagern und NS-Gefängnissen Ermordeten und Gequälten erteilt wurde. Dabei helfen uns viele Freundinnen und Freunde, die Antifaschistinnen und Antifaschisten – aus Liebe zur Menschheit! Lassen Sie nicht zu, dass diese Arbeit durch zusätzliche Steuerbelastungen noch weiter erschwert wird.
Mit freundlichen Grüßen
Esther Bejarano
Vorsitzende
Auschwitz-Komitee in der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Ehrenvorsitzende der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes –
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten
N.B.: Dieser Brief wird auch an Fraktionen im Bundestag, an Medien und Freundeskreise weitergeleitet.
Hier der Brief als PDF