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Die Strasse hinterm Hotel Silber heißt jetzt Else-Josenhans-Straße

 

Am Freitag den 29. September 2017 um 14 Uhr fand die Feier zur Umbenennung der Lederstraße in “Else-Josenhans-Straße” statt.

Auf Vorschlag unserer Initiative konnte in Zusammenarbeit mit dem Bezirksbeirat Mitte und mit Vertretern der Firma Breuninger dieser Name für die Straße gefunden werden, der die Besonderheit des Ortes unterstreicht. Der Gemeinderat der Stadt Stuttgart hat ihn in diesem Frühjahr beschlossen. Jetzt wurde diese Umbenennung feierlich vollzogen.

Die parallel zur Dorotheenstraße verlaufende Gasse führt vom Charlottenplatz aus ins neue Dorotheenquartier und ist gleichzeitig die Grenze und die Verbindung des neuen Quartiers mit dem erhaltenen Hotel Silber. Hier im Gebäude des ehemaligen Sitzes der Gestapozentrale für Württemberg und Hohenzollern wird voraussichtlich im Herbst 2018 der Erinnerungs- und Lernort Hotel Silber eröffnet.

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Rund 120 Bürgerinnen und Bürger waren dabei, als das neue Strassenschild enthüllt wurde durch Thomas Herrmann, den aus der Schweiz angereisten Enkel von Else Josenhans, durch den Kulturbürgermeister Dr. Fabian Mayer und durch Elke Banabak, stv. Vorsitzende der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber e.V.

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Für die Stadt sprach  Kulturbürgermeister  Dr. Fabian Mayer,  für unsere Initiative Elke Banabak. Ihre Rede finden Sie hier:  Rede von Elke Banabak Zur Einweihung der Else-Josenhans- Straße 29.9.2017

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Etwas ganz Besonderes war der StolperKunst-Beitrag des Theaters Lockstoff, eine anrührende Performance zweier Schauspielerinnen, zwischen ihnen eine Keramikfigur der Künstlerin Dora Várkonyi, stellvertetend für die Ermordete. Ein Video dieser Performance finden Sie hier: Facebook von Dora Varkonyi

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Musikalisch begleitet wurde die Feier durch Wilma Heuken auf dem Akkordeon.

Porträt Else Josenhans Foto 3

Wer war Else Josenhans?

Else Josenhans, geb. Meyer, wurde 1896 als Tochter einer jüdischen Bankiersfamilie in Heilbronn geboren. Sie war evangelischen Glaubens und heiratete in ihrem Heimatort den ein Jahr älteren evangelischen Beamten Wilhelm Josenhans; 1918 und 1920 kamen dort die Töchter Annemarie und Lieselotte zur Welt. 1922 zog die Familie nach Stuttgart um und bezog 1933 ihr eigenes Einfamilienhäuschen im Carlos-Grethe-Weg 4 in der neu errichteten Kochenhofsiedlung

Bald nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten begannen die Repressalien, die sich das Regime für die jüdischen Bürger ausdachte. Der Ehemann verlor wegen der Ehe mit seiner nun als „Jüdin“ ausgegrenzten Frau 1937 seine Arbeit als Verwaltungsoberinspektor und versuchte fortan seine Familie mit der Produktion und dem Vertrieb von Werbegeschenken über Wasser zu halten

Nach dem 9. November 1938, als in Stuttgart die Synagogen angezündet worden waren, wurde das Haus der Familie ganz mit Lehm und Dreck beworfen und mit der Aufschrift „Jude“ besudelt.

Im Herbst 1941 bekam Else Josenhans einen „Judenpass“, mit dem ihr der Judenstern und der Zwangsname Sarah verpasst und gleichzeitig die Ausreise aus Deutschland verboten wurde. Ein Teil des Familienvermögens wurde als „Judensteuer“ eingezogen. Mit Schrecken bemerkte man, dass im benachbarten Killesberg die ersten Deportationen von als Juden registrierten Menschen aus Stuttgart und Württemberg in den Osten begannen.
Vorläufig waren sogenannte „Mischehepartner“ noch von der Deportation ausgenommen. Im Alltag traf die Familie aber die volle Härte der Zwangsmaßnahmen gegen rassisch Verfolgte. Bei Bombenalarm wurde Else Josenhans der Zutritt zum Bunker verwehrt. Als nach einem Luftangriff das Haus in Flammen stand, brannte es ab, weil man den „Juden“ nicht beim Löschen half.

Als dann Ende Januar 1945 Else Josenhans den Bescheid zur Deportation in den Osten erhielt, wusste sie, dass für sie jetzt auch die Stunde geschlagen hatte. Doch inzwischen war schon offensichtlich, dass der Krieg verloren war und es gab Hoffnung gerettet zu werden, wenn nur noch etwas Zeit gewonnen werden könnte. In ihrer verzweifelten Lage suchte Else Josenhans eine befreundete Ärztin auf. Diese Ärztin brach ihr im Beisein ihrer Tochter ein Bein. Durch diese drastische Tat gelang es ihr, sich als „transportunfähig“ ins Robert-Bosch-Krankenhaus einweisen zu lassen.
Während ihrer Genesung besuchte sie dort ein Mann, der ihr anbot, die ganze Familie gegen Auslieferung des Familienschmucks über die Schweizer Grenze zu bringen.

Die Tochter Annemarie Josenhans hatte Josef Burra einige Zeit vorher bei einer Bekannten flüchtig kennengelernt. Burra gab an, er sei ein ehemaliger KZ-Häftling und äußerte sich regimekritisch. So gewann Annemarie Vertrauen zu ihm und schilderte ihm ihrerseits in Kürze die Situation ihrer Familie. Burra erwiderte, er könne ihr einen Pass besorgen, um in die Schweiz zu fliehen, aber ihrer Mutter könne er nicht helfen. Danach sah sie ihn nicht mehr, bis er plötzlich im Robert-Bosch-Krankenhaus auftauchte, wo Else Josenhans wegen des Beinbruches und Annemarie wegen einer Sehnenentzündung lagen. Er bot sich als Fluchthelfer an. Er war gut vorbereitet, konnte auf jede Frage eine plausible Antwort geben und konnte so die Familie von der Flucht überzeugen

Als die Familie sich, wie mit Burra verabredet, am 24.03.1945 am vereinbarten Treffpunkt am Stuttgarter Hauptbahnhof einfand, wurde sie von einem SS-Trupp erwartet und verhaftet.

Die Gruppe wurde zu Fuß durch die Stadt zum Hotel Silber, dem Sitz der Gestapo getrieben. Vater Josenhans wurde sogar gefesselt. Auf dem Weg gelang es Burra zu fliehen. Zum Schein wurde ihm hinterher geschossen. Der Familie wurde sofort klar, dass sie einem Spitzel in die Fänge geraten war.

Im Hotel Silber wurde die Familie getrennt voneinander in Verwahrzellen gesperrt und verhört.

Der Mann und die Töchter sahen ihre Ehefrau und Mutter, Else Josenhans, laut Bericht von Annemarie Josenhans am 26.03.1945 zum letzten Mal.

Die Tochter Liselotte Josenhans wurde ins Frauengefängnis nach Cannstatt gebracht. Der Vater, Wilhelm Josenhans, musste mit Dutzenden anderen Gefangenen mit auf den Marsch Richtung Ravensburg aufbrechen. Else Josenhans und ihre Tochter Annemarie blieben im Hotel Silber zurück. Nach über zwei Wochen Einzelhaft in einer Zelle ohne Licht wurde Annemarie am 08.04.1945 plötzlich freigelassen. Sie sollte ihre Schwester Liselotte abholen und nach Hause gehen. Beide wurden  dann aber bei der Familie von Liselottes Verlobtem Carsten Brockstedt in Kornwestheim versteckt, da ihnen über eine Nachbarin vom Carlos-Grethe-Weg die Nachricht übermittelt wurde, dass die SS wieder nach ihnen fahndete.

Else Josenhans verblieb in Haft im Hotel Silber. Als die alliierten Truppen auf dem Vormarsch auf Stuttgart waren und das Ende des Regimes bevorstand, befahl der Stuttgarter Gestapochef Mußgay die Tötung der verbliebenen Gefangenen im „Hotel Silber“.

Else Josenhans wurde in der Nacht zum 10. April durch den sadistischen SS-Hauptscharführer Anton Dehm grausam ermordet.

Laut Zeugenbericht von Annemarie Josenhans suchten die Schwestern nach ihrer Mutter und fanden den Leichnam unter dem falschen Namen „Natalie Rosenkranz“ im jüdischen Teil des Hauptfriedhofs im Steinhaldenfeld. Durch eine Exhumierung der Leiche konnte nicht nur die Identität belegt werden, sondern auch die Art des Mordes. Im Friedhof war ein Gutachten eines Gerichtarztes hinterlegt worden, welches angab, dass Else Josenhans am 9. April starb. Berichte von Zeugen, die zum Zeitpunkt des Mordes im Hotel Silber waren, belegen, dass der Mord an Else Josenhans in der Nacht geschah. Deshalb ging Annemarie davon aus, dass ihre Mutter in der Nacht vom 9. zum 10. April, von Anton Dehm erhängt wurde. (Das Todesdatum von Else Josenhans wird in Zeugenberichten unterschiedlich angegeben.)

Die traumatisierte Familie Josenhans wollte nach dem Krieg so schnell wie möglich Deutschland verlassen. Die Tochter Annemarie ging 1946 in die Schweiz, wo sie sich als Annemarie Hermann in Zürich verheiratete. Ihre Schwester Liselotte, verheiratete Brockstedt, versuchte mit ihrem Mann in die USA auszuwandern, bekam aber im Gegensatz zur Tochter des ehemaligen örtlichen NS-Ortsgruppenleiters Must keine Einreiseerlaubnis. Der Vater Wilhelm Josenhans wurde im Juni 1945 als stellvertretender Arbeitsamtsleiter in Ludwigsburg wieder eingestellt und zum Regierungsrat befördert. Er starb am 26.12.1946, offensichtlich in Folge der erlittenen körperlichen und psychischen Strapazen. Bilder zeigen ihn als schwer gealterten Mann.

Der Mörder Dehm wurde 1948 wegen des Mordes an drei weiteren Menschen, darunter auch französische Staatsangehörige, von einem französischen Gericht in Rastatt angeklagt und wegen „Beihilfe zu Kriegsverbrechen“ zu 20 Jahren Zuchthaus verurteilt, kam aber aufgrund eines Gnadenerlasses 1954 schon wieder frei.

Recherche und Text: Jörg Kurz, Initiativkreis Stolpersteine für Stuttgart-Nord in der Geschichtswerkstatt S-Nord (www.stolpersteine-stuttgart.de), Quellen: Gespräche mit Frau Liselotte Brockstedt, geb. Josenhans, Jahrgang 1920 / Nachbarin HK, Kochenhofsiedlung, Jahrgang 1929 /Überarbeitet mit Ergänzungen von Daniela Gugg aus Berichten von Annemarie Hermann geb. Josenhans; Staatsarchiv Ludwigsburg Akte EL 350 I – Bü 33753 (ES 23454) – Familienpass F 215, Bü 375 / „Stuttgarter NS-Täter“ herausgegeben von G. Abmayr, Stuttgart 2009 / „Die Geheime Staatspolizei in Württem­berg und Hohenzollern“ – Herausgegeben von I. Bauz, S. Brüggemann u. R. Maier – Schmetterling – Verlag, Stuttgart 2013

Von der nicht stattgefundenen juristischen Aufarbeitung des Mordes handelt der 1958 im “ Spiegel“ erschienene Artikel mit dem Titel “ GESTAPO-MORDE vergißt man nicht“ Link

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